Maleficent - Die dunkle Fee (2024)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Neuer Blick auf "Dornröschen"

Schon der Name lässt keine Zweifel aufkommen. Maleficent (vom lateinischen „maleficus“ für boshaft) ist der Inbegriff des Bösen. Eine Fee, die nur den eigenen Vorteil kennt. Niederträchtige Absichten hegt. Und sich am Unglück anderer ergötzt. So jedenfalls haben die Zuschauer sie kennengelernt, in Disneys Zeichentrickklassiker Dornröschen aus dem Jahre 1959. Der Fall liegt klar. Oder etwa nicht? Was, wenn das Herz der Fee zwar verdorben, ihre Rachsucht jedoch berechtigt wäre? Eine spannende Frage, der das Realfilm-Fantasy-Spektakel Maleficent – Die dunkle Fee nun in einem konsequenten Perspektivwechsel nachspürt.

Mit großer Güte wacht Maleficent in jungen Jahren über ein verwunschenes Wald- und Moorland, in dem, anders als bei den Menschen, Frieden und Harmonie vorherrschen. Als eines Tages der kleine Stefan in ihre Welt eindringt, findet die Fee einen treuen Freund, in den sie sich schon bald verliebt. Die beiden verbringen jede freie Minute miteinander, verlieren sich irgendwann jedoch aus den Augen, da Stefan, beseelt vom Wunsch, einmal das Menschenreich zu regieren, den Hof des Königs aufsucht. Jahre später plant der Monarch, Maleficents Zauberwald einzunehmen, muss sich allerdings den magischen Kräften der nun gereiften Fee (Angelina Jolie) geschlagen geben. Verbittert über seine Niederlage, verspricht er demjenigen den Thron, der die übermächtige Gegenspielerin bezwingen kann. Nach langem Warten sieht Stefan (Sharlto Copley) endlich seine große Chance gekommen, weshalb er sich Maleficent erneut annähert. Allerdings nur, um ihre magischen Flügel zu rauben und sich am Hof als ihr Bezwinger feiern zu lassen. Der Verrat verdunkelt Maleficents Herz. Sie sinnt auf Rache und belegt Stefans Tochter Aurora mit einem verhängnisvollen Fluch. An ihrem 16. Geburtstag wird sie sich an einer Spindel stechen und in einen tiefen Schlaf fallen, den nur ein Kuss wahrer Liebe beenden kann. Während Maleficent das Heranwachsen Auroras (Elle Fanning) verfolgt, kommen ihr mehr und mehr Zweifel an ihrem durchtriebenen Handeln.

Die Stoßrichtung ist eindeutig. Maleficent lehnt sich auf gegen die übliche Schwarz-Weiß-Malerei. Gegen Bösewichte, die am Reißbrett entstanden sind und per se verachtenswert erscheinen. Die Macher wollen den Zuschauer dafür sensibilisieren, dass es vor allem auf den Standpunkt ankommt, von dem aus eine Geschichte erzählt wird. Hier ist es die Perspektive einer vormals liebenswürdigen Fee, die durch menschliche Niedertracht (was sonst!) den Glauben an das Gute verliert und in tiefste Verbitterung verfällt. Auch das Böse ist nicht naturgegeben. Sondern hat seinen Ursprung in schlimmen Erfahrungen.

Je weiter die Handlung voranschreitet, umso tragischer erscheint die furchteinflößende Maleficent, denn (natürlich) rührt sich ihre frühere Herzensgüte, als sie die unschuldige Aurora aufwachsen sieht. Eben dieser innere Konflikt füllt den Film mit Leben und fordert Angelina Jolie nach mehrjähriger Leinwandpause zu einem überzeugenden Comeback heraus. Versiert wandelt der Superstar zwischen den unterschiedlichen Facetten der ambivalenten Titelfigur. Mal erhaben und nachdenklich, dann wieder herrisch und boshaft. Oder aber demonstrativ spöttisch. Schön sind auch die selbstironischen Untertöne, die sich ab und an bemerkbar machen. Etwa wenn die dunkle Fee beim Anblick der kleinen Aurora ihre generelle Abscheu gegenüber Kindern zum Ausdruck bringt. Das aus dem Mund einer Schauspielerin, die im wahren Leben sechsfache Mutter ist!

Die Präsenz Maleficents (und damit Jolies) ist beeindruckend, lässt gleichzeitig aber andere Dinge zu sehr in den Hintergrund treten. So fallen die drei gutmütigen Feen, die Aurora auf Geheiß des Königs in einem Waldhäuschen großziehen, zwischendurch aus der Handlung heraus, ohne dass es dafür einen triftigen Grund gäbe. König Stefan wiederum kommt wie ein wandelndes Klischee daher: ein hinterlistiger Machtmensch und ein besessener Vater, der sich allerdings nie ernsthaft für seine Tochter interessiert.

Während die Erzählung mit einigen Holprigkeiten zu kämpfen hat, bewegt sich die Optik des Märchenspektakels auf konstant hohem Niveau. Regieneuling Robert Stromberg (als Szenenbildner zweimal Oscar-prämiert) versteht es, das Publikum visuell gefangen zu nehmen, selbst wenn manche Panoramen doch etwas deutlich an andere Fantasy-Epen – vor allem Der Herr der Ringe – erinnern (beispielsweise das Wald- und Moorreich, in dem es lebende Bäume gibt). Eindrucksvoll ist auch der starke Hang zu düsteren Szenarien, die die emotionale Verkümmerung der Protagonistin nach außen kehren und eine unheilvolle Stimmung evozieren.

Rundum gelungen ist Maleficent – Die dunkle Fee ganz sicher nicht. Dafür aber durchaus erfrischend, da eine vermeintlich eindimensionale Antagonistin plötzlich in völlig neuem Licht erscheint und der Zuschauer eine oft unterschlagene Erkenntnis mitnehmen darf: Die Wahrheit einer Geschichte kann äußerst relativ sein. Je nachdem, welcher Blickwinkel vorherrscht.

Schon der Name lässt keine Zweifel aufkommen. Maleficent (vom lateinischen „maleficus“ für boshaft) ist der Inbegriff des Bösen. Eine Fee, die nur den eigenen Vorteil kennt. Niederträchtige Absichten hegt. Und sich am Unglück anderer ergötzt. So jedenfalls haben die Zuschauer sie kennengelernt, in Disneys Zeichentrickklassiker „Dornröschen“ aus dem Jahre 1959. Der Fall liegt klar. Oder etwa nicht? Was, wenn das Herz der Fee zwar verdorben, ihre Rachsucht jedoch berechtigt wäre? Eine spannende Frage, der das Realfilm-Fantasy-Spektakel „Maleficent – Die dunkle Fee“ nun in einem konsequenten Perspektivwechsel nachspürt.

Maleficent - Die dunkle Fee (2024)

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